«Fett auf meinem Display»    


Ahoi! Luzern, Sommer 2025


Was bleibt, wenn die Finger vom Display abheben? Pablo Boesch lotet in seiner Ausstellung «Fett auf meinem Display» die Ränder zwischen digitaler Simulation und analoger Wirklichkeit aus. Seine künstlerische Praxis beginnt dort, wo die glatte Oberfläche des Bildschirms endet – und die Spuren der Arbeit, die im Digitalen so unsichtbar bleiben, wieder materiell werden.

Im Zentrum von Boeschs künstlerischem Schaffen steht die zeichnerische Praxis: Die Linie ist für ihn nicht nur Mittel, sondern Thema – ein Werkzeug, um sich digitale Welten anzueignen und dabei stets auch deren Grenzen auszuloten. Mit feinem Bleistift überträgt er Screenshots digitaler Simulationen auf Papier, Strich für Strich, Pixel für Pixel. In dieser minutiösen Arbeit, die oft über Wochen hinweg dauert, wird sichtbar, was am Bildschirm flüchtig und - vermeintlich - ressourcensparend erscheint. Boesch interessiert sich dabei nicht nur für die Präzision der Linie, sondern auch für malerische Aspekte: Komposition, Farbigkeit und das Spiel mit unterschiedlichen Ansichten und Ebenen fliessen in seine Werke ein und erweitern die Zeichnung in Richtung Malerei.

Im Ahoi sind zwei Werkgruppen ausgestellt, die Boeschs künstlerische Auseinandersetzung auf unterschiedliche Weise erfahrbar machen. Eine farbige, irritierende digitaler Scan des Ausstellungsraums selbst bildet das Centerpiece der Schau. Als anamorphotisches Objekt hängt sie im Raum und fordert unsere Wahrnehmung heraus, indem sie digitale und physische Raumwahrnehmung miteinander verschränkt. Zu sehen sind darauf gehängte digitale Malereien und Objekte Boeschs. Ergänzt wird diese Arbeit durch ein Video, in dem er in einem 
3D-Dokument, in dem alle in seinen Werken verarbeiteten «Orte» und «Objekte» enthalten sind, navigiert. Weiter sind analoge Zeichnungen ausgestellt, in denen Boesch digitale Screenshots seiner digitalen Prozessschrritte in handgefertigte Unikate verwandelt. Diese Zeichnungen sind Protokolle eines Prozesses, der das Unsichtbare sichtbar macht und die Zeit und Arbeit, die im Digitalen verschwindet, wieder erfahrbar werden lässt – «analoge Renderings» nennt er sie. Mit ihnen setzt er das Mensch gemachte Bild, in digitaler und schliesslich immer analogen Betrachtung, ins Verhältnis zu hintergründigen, digitalen Rechnungsprozessen.
Die Skulptur «Oberzahnreihe, 2012» schliesslich ergänzt die beiden Werkgruppen, bringt Körperlichkeit zurück in den Raum und stellt die Frage, wie digitale Werkzeuge auf unsere physische Wirklichkeit wirken und diese verändern.

Boeschs Arbeiten sind mehr als formale Studien: Sie sind ein Nachdenken über die Logik von Körperlichkeit in einer zunehmend entkörperlichten, kapitalistischen Aufmerksamkeitsökonomie. Während wir uns an die Simulation gewöhnen, geraten die Spuren unserer Hände – Fett, Wärme, Druck – aus dem Blick. Boesch holt sie zurück: Jede Linie, jeder Scan, jeder Druck ist ein Versuch, dem Digitalen seine Materialität wiederzugeben, den Prozess zu verlangsamen und die eigene Präsenz im Bild zu verankern.


«Die Arbeit am Display hinterlässt Linien in der Fettschicht meiner Hände‘, schreibt Boesch. In «Fett auf meinem Display» wird diese unsichtbare Spur zur sichtbaren Geste – und lädt uns ein, die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine, zwischen Oberfläche und Tiefe, neu zu befragen.

Text: Lillia Glanzmann



Fotos: Esther Leupi, Paul Lipp und Reto Leuthold